Märtyrer an der Krippe

Auch dieses Jahr steht in der Eingangshalle des Münchener Hauptbahnhofs eine fast menschengroße Krippe, geschnitzt von Schülern des musischen Gymnasiums aus dem polnischen Zakopane. Das Besondere dieser alljährlichen Krippe ist, dass anstelle der vertrauten kleinen und großen Hirten die jungen Künstler jedes Jahr andere Besucher „auflaufen“ lassen; Dieses Jahr sind es Märtyrer, die sich um das Jesuskind scharen.

Märtyrer an der Krippe

Betlehem und Märtyrer. Teilansicht der Krippe im Münchner Hauptbahnhof.

 

Selbstverständlich will jeder Besucher, jeder Betrachter, jeder im Glauben vor der Krippe anhaltender Mensch den Gedanken dahinter verstehen und das wird dieses Jahr nicht einfach sein.

Durch die Anschläge der Islamisten weltweit hat die Bedeutung des Wortes „Märtyrer“ in der breiten Öffentlichkeit eine ausdrücklich negative Bedeutung erhalten. Während es im Christentum um einen Menschen geht, der friedlich bereit ist für seinen Glauben und seine Überzeugung sein Leben hinzugeben, hören wir heute dieses Wort eher im Zusammenhang mit islamistischen Terroranschlägen. Selbstmordattentäter, die manchmal hunderte von Menschen mit in den Tod reißen, oder Kämpfer, die bei kriegerischen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen sind werden dort häufig Märtyrer genannt.

Nun werden wir die jungen Künstler wahrscheinlich nicht bitten können, uns Ihr „Projekt“ vorzustellen und uns ihre Gedanken zur Entstehung dieses Projekt zu erläutern. Der Besucher und Betrachter soll – was nicht ungewöhnlich ist – sich selbst Gedanken dazu machen. Warum also christliche Märtyrer an der Krippe?

Der erste Blick in die Gesichter verrät, dass diese Märtyrer aus verschiedenen Ländern und Kontinenten stammen. Unschwer ist auf der rechten Seite Dietrich Bonhöfer zu erkennen, auf der gleichen Seite hinten ein Christ aus dem arabischen Raum. Links – auf dem Bild nicht mehr zu sehen – sind die seligen Patres Zbigniew Strzalkowski und Michal Tomaszek zu erkennen.

In der katholischen aber auch in der evangelischen Kirche werden Märtyrer auch Zeugen des Glaubens oder Glaubenszeugen genannt. Märtyrer sind nach dem Verständnis beider Kirchen Menschen, die auch in schwierigsten Situationen des Lebens Ihre Nähe zu Jesus Christus nicht verleugnen, sondern offen zeigen und bezeugen. Dabei erlebten auch sie Zeiten des Ringens und Suchens auf dem Weg des Glaubens. Könnte also ihre Versammlung um das Jesuskind in der Krippe vielleicht einfach Ausdruck dieser lebenslang gesuchten und gelebten Nähe zu Christus verstanden werden? Und will dieses sich Scharen um den neugeborenen Heiland der Welt nicht auch uns sagen, dass dieses Suchen, dieses Bleiben auf dem Weg zu Gott, uns letztlich doch am Ziel ankommen lässt – bei Jesus Christus, in dessen Gesicht, sich Gott selbst zu erkennen gibt.

Am Heiligen Abend werden auch wir uns – allein oder mit Familie – auf den Weg machen, um die Nähe des neugeborenen Königs der Welt zu suchen und ihn in der Stille der Heiligen Nacht anzubeten.

Ich wünsche uns allen ein gnadenreiches und hoffnungsvolles Weihnachtsfest! Mögen wir trotzt aller Schwierigkeiten im eigenen Leben auch im Neuen Jahr nicht den Mut verlieren und uns – wie die Glaubenszeugen an der Krippe – immer wieder neu auf den Weg zu Christus machen, mit dessen Ankunft in die Welt diese nicht mehr ohne Gott sein kann.

Am Heiligen Abend im Gebet mit Ihnen verbunden,

Ihr

 

Msgr. Dr. Alexander Hoffmann