Betrachtung Weihnachten 2024

Das Wort ist Fleisch geworden

 

1,80 x 1,70 m groß ist ein Rundbild im Erfurter Dom, welches eine sehr seltsame Darstellung zeigt: Die Hostienmühle. In der Mitte ist eine Mühle zu sehen, in das die vier Symbole der Evangelisten Schriftbänder mit den Einsetzungsworten der heiligen Messe werfen. Das Schriftband, das dann aus dem Trichter der Mühle kommt, verwandelt sich im Kelch in das Christkind. Zu lesen ist dort: „Et verbum caro factum est“ – „Und das Wort ist Fleisch geworden!“ Die vier abendländischen Kirchenväter halten den Kelch mit dem Christkind. Die Datierung des Gemäldes auf das Jahr 1534 weist auf die Zeit nach der Reformation hin, wo es wichtig wurde, die Verbindung zwischen dem biblischen Wort und dem Sakrament der Eucharistie zu betonen, denn diese Verbindung drohte auseinander zu fallen.

Am Weihnachtsfest feiern wir die Fleischwerdung des göttlichen Wortes, das seit den Propheten als Hoffnungsbotschaft dem auserwählten Volk Israel zugesagt wurde: Es wird ein Retter geboren, mit dem alle wörtlichen Verheißungen in Erfüllung gehen. Lange Zeit hat es gebraucht, bis diese Verheißung in Erfüllung gegangen ist, die wir am Weihnachtsfest feiern dürfen. Im Laufe dieser Zeit haben sich auch Erwartungen gebildet, die jedoch von Gott nicht erfüllt werden sollten, z.B. dass es wieder eine poltisch-geistliche Herrschaft wie zur Zeit des Königs David geben wird. Jesus musste sich dagegen wehren und darauf hinweisen, dass er das Himmelreich zu den Menschen bringen will. Bis in den Kreis der Apostel hinein bestanden auch andere Hoffnungen, die sich spätestens durch die Passion Jesu zerschlagen haben.

Wir glauben daran, dass durch das Wort, das Jesus im Abendmahlssaal gesagt hat, seine Gegenwart möglich wird. Wir verlassen uns darauf, dass die kirchliche Tradition uns diese Worte verlässlich überliefert hat und damit Christus in den Gaben von Brot und Wein gegenwärtig wird. Die Apostel haben diese Worte sorgsam überliefert, so dass wir uns auf ihre Authentizität verlassen können. Über die Jahrhunderte hin hat die Kirche darauf geachtet, dass diese Worte sorgsam überliefert werden und durch die Betrachtung ihr tiefes Geheimnis erschlossen werden kann.

Der Zugang zu diesem Glaubensgeheimnis, dass Gott Mensch wird, ist bis heute mit reinem Intellekt nicht möglich. Es braucht dazu die Erkenntnis der Liebe Gottes, die niemals aufgehört hat, nach dem Heil der Menschen zu suchen. Wem dieses Ringen Gottes aufgegangen ist, dem sind dann Details der Weihnachtsgeschichte nicht sonderbar wichtig, die von den Exegeten als kritisch bezeichnet werden. Wir wissen, wie sehr die Weihnachtsevangelien im Kontext der alttestamentlichen Formulierungen stehen. Wir freuen uns, wenn auch astronomische und historische Untersuchungen uns helfen, den Zeitpunkt der Geburt Jesu näher zu bestimmen. Dennoch bleibt dem Christen die Zumutung, daran zu glauben, dass Gott Ernst gemacht hat mit seinem Willen, uns Menschen von den Fesseln der Sünde und des Todes zu erlösen.

Auch am Weihnachtsfest feiern wir die heilige Eucharistie, in der Jesus Christus gegenwärtig wird, um uns zu begegnen und zu stärken. Manchem Menschen reicht in der Weihnachtszeit der Besuch einer Kirche, in der eine schön geschnitzte Krippe zu sehen ist, die ebenso die Menschwerdung Gottes zeigt. Das Gemälde der  Hostienmühle fordert jedoch dazu heraus, diese Vergegenwärtigung der Liebe Gottes nicht als rein historisches Ereignis zu betrachten, aus dem viele Traditionen entstanden sinbd, sondern sich daran von Herzen zu freuen, dass die Gegenwart des Erlösers in der Feier der Eucharistie an jedem Tag und in jeder Stunde in der Welt zu einer neuen Wirklichkeit wird.

 

Ein gesegnetes Weihnachtsfest und die Freude am neuen Leben durch das Kind von Betlehem wünscht von Herzen

Weihbischof Dr. Reinhard Hauke